Erfahrungsgemäß ist ja das Weihnachtsfest ein Ereignis, an dem meist die Familie zusammenkommt. Oft schon im Vorfeld zeigen sich familiäre Probleme, die eigentlich schon das ganze Jahr über da waren, aber nicht so offensichtlich, wie sie dann in der Vorweihnachtszeit oder auch direkt zum Weihnachtsfest oder in den Tagen danach sichtbar und fühlbar werden.

Es sind nicht nur die Anspannung der Vorweihnachtszeit und die hohen Erwartungen, die mit dem Weihnachtsfest verbunden sind, die Weihnachten oft schwierig werden lassen. Im Weihnachtsfest wird der Wunsch nach Frieden in der Familie besonders deutlich. Und oft wird auch genau da am deutlichsten, was dem Familienfrieden fehlt.

Die Seele hat ihre eigenen Gesetze

Wir denken zumeist, wir können alles regeln und nach unseren Wünschen gestalten. Grundsätzlich ist das natürlich wunderbar, wenn uns das immer wieder partiell gelingt. Doch wenn wir uns auch noch so erwachsen, unabhängig und selbstbestimmt fühlen, für unsere Seele gelten eigene Gesetze.

Unsere Seele möchte lieben dürfen, vor allem die, die uns nahestehen. Manchmal verhindern jedoch Ereignisse in der Familiengeschichte ein liebevolles Miteinander. Doch auch dann unterliegen wir diesen inneren Dynamiken, die sich besonders zum Weihnachtsfest zeigen.

Es gibt innere verborgene Gesetze, die hinter unserem menschlichen Miteinander wirken. Sie wirken unerbittlich, ganz gleich, ob wir uns ihrer bewusst sind oder nicht. Meist wirken sie gerade dann am stärksten, wenn sie seit Jahren oder gar seit Jahrzehnten unbewusst Einfluss auf unser Familienleben haben.

Es sind vor allem die uns innewohnenden Gesetze von Bindung, Ordnung und Ausgleich, deren Wirkungen zum Weihnachtsfest so deutlich sichtbar werden. Sie äußern sich in Problemen, die wir mit etwas Verständnis umgehen oder auch entspannt lösen können.

Problem Nr. 1: Das Bedürfnis nach Bindung

Wir Menschen sind Gruppenwesen. Wir brauchen die Gruppe, es ist ein archetypisches Bedürfnis, da unser Überleben seit jeher abhängig ist von der Bindung an eine Gruppe. Ohne diese Bindung ist es uns Menschen nicht möglich, existent zu sein.

Das Bedürfnis nach Bindung beeinflusst viele unserer Gefühle und Handlungsweisen. Zum Weihnachtsfest, dem Fest der Familie, werden diese Gefühle besonders sichtbar. Wir sind zwar erwachsen, doch wir bleiben ein Leben lang Sohn oder Tochter, Bruder oder Schwester, Vater oder Mutter.

Es gibt vielerlei Bindungen, in die wir eingebunden sind. Die Bindung an die Herkunftsfamilie, die Paarbindung, die Bindung zu unseren Kindern, aber auch die Bindung im Kontext der Firma oder sogar des Sportvereins wirken auf uns. Am stärksten aber wirkt die Bindung an die Familie.

Du kannst dich aus der Bindung der Familie lösen, aber nicht aus der Mutter-Kind-Bindung. Doch selbst wenn du die Familienbindungen löst und keinen Kontakt mehr hast, bleibt in der Seele ein essentielles Bedürfnis, eingebunden zu sein. Falls das nicht möglich ist, wird der Schmerz am Weihnachtsfest besonders deutlich spürbar. Da helfen oft alle bisher bewährten Abwehrmechanismen nicht. Der tiefe Schmerz, nicht mit der Familie zusammen sein zu können, kommt wehmütig im Herzen an.

Was kannst du tun?

Sicher hast du schon entschieden, mit wem du in diesem Jahr den Weihnachtsabend verbringst. Wenn es nicht deine Familie sein kann, dann kannst du an deine Familie denken. Vielleicht gelingt es dir, dich an schöne Momente mit deiner Familie zu erinnern. Du kannst im Herzen Vater und Mutter danken, dass du auf dieser Welt sein darfst.

Wenn du mit guten heilsamen Gedanken am Heiligabend an die denkst, die zu dir und deiner Familie gehören, dann schenkst du auch dir selbst gute heilsame Gedanken. Kannst du lächelnd zustimmen, dass du eben kein Eremit in der Höhle auf dem Berg bist, sondern gern in der Gesellschaft freundlicher Menschen bist? Kannst du dir selbst zubilligen, dass du gern entspannt in freundlicher Gesellschaft die Weihnachtstage verbringen möchtest? Schau dich um, es wird Menschen geben, die sich darauf freuen, dass du zum Weihnachtsfest mit ihnen zusammen sein wirst.

Problem Nr. 2: Das Bedürfnis, dass alle dazugehören

Zum Bedürfnis nach Bindung gehört, dass alle in der Familie dazugehören dürfen. Alle heißt hier, alle die mit dir verwandt sind. Alle die du kennst und die du nicht kennst. Niemand darf ausgeschlossen werden.

Doch gerade das geschieht in den Familien immer wieder. Oft gibt es in der Familie ausgeschlossene Familienmitglieder. Jemand der in den Augen der Familie schuldig geworden ist, mit dem die Familie nicht im Frieden ist, über den nicht gesprochen wird, der nicht geladen ist. Schon gar nicht am Heiligen Abend.

Was kannst du tun?

Nun können ja nicht alle mit am Tisch sitzen beim Weihnachtsabend oder unterm Tannenbaum. Doch du kannst an sie denken. Das ist oft schon viel und genug.

Ganz besonders in Patchworkfamilien braucht es schon viel kluges Überlegen, wer wann mit wem das Weihnachtsfest feiert. Jede Regelung, in der nicht alle dabei sein können, widerspricht unserem angeborenen Bedürfnis, dass alle dazugehören dürfen.

Deshalb gratuliere dir zu jeder Lösung, die du findest. Lehne dich entspannt zurück und verschiebe die Klärung der Probleme auf später. Das Problem an den Weihnachtstagen klären zu wollen bringt zumeist keine Lösung, sondern nur neue Probleme.

Problem Nr. 3: Das Bedürfnis, den anderen zu beschenken

Andere Menschen zu beschenken ist uns ein eingeborenes Bedürfnis. Es fördert unsere Bindung, erfreut den anderen und uns selbst, wenn wir an dessen Freude teilhaben dürfen. Schon ganz kleine Kinder sind glücklich, wenn sie der Mama oder dem Papa einen Stein oder ein selbstgemaltes Bild schenken können. Wo können wir das Bedürfnis, unsere liebsten Menschen zu beschenken, am ehesten befriedigen? Natürlich zum Weihnachtsfest.

Doch welches Geschenk kann es sein? Bei der Fülle der Möglichkeiten ist das Auswählen oft schon eine große Herausforderung und mit angestrengten Überlegungen und Einkäufen verbunden. Ist es das richtige Geschenk? Wird er oder sie sich darüber freuen? Liegt es in meinen Möglichkeiten?

Zu überlegen, zu kaufen, zu basteln, zu besorgen bringt schon zumeist Anspannung und Stress mit sich. Denn es soll ja wirklich genau das Passende sein. Doch was ist genau das Passende?

Was kannst du tun?

Mit dem besten Vorsatz kann es passieren, dass du nicht genau das Richtige triffst. Das macht überhaupt nichts, erkenne an, dass dein guter Wille da war. Dann nimm es leicht mit einem inneren Schmunzeln. „70 Prozent sind perfekt“, pflegt meine ZEN-Lehrerin zu sagen. Das ist genug. Und falls du genau das richtige getroffen hast, wunderbar. Ein Grund mehr, dich entspannt mit dem Beschenkten mitzufreuen.

Problem Nr. 4: Das Bedürfnis nach Ausgleich

In unserem menschlichen Miteinander wirkt auch das unerbittliche Bedürfnis nach Ausgleich. Das Bedürfnis nach dem Ausgleich zwischen Geben und Nehmen. Und gerade das Weihnachtsfest ist hier eine besondere Herausforderung. Das Geschenk soll angemessen, nicht zu groß und nicht zu klein, einfach und passend sein. Wir wollen auf keinen Fall ein Geschenk, für das wir keine angemessene Gegenleistung geben können.

Wenn wir zu große Geschenke erhalten, fühlen wir uns unwohl. Es bringt uns das Gefühl, in der Schuld des anderen zu stehen. Das ist ein ungutes Gefühl, das wir so bald wie möglich wieder loswerden und ausgleichen wollen.

Wenn wir zu kleine Geschenke erhalten, geht es uns meist besser als umgekehrt. Doch dann bleibt beim Schenkenden ein ungutes Gefühl, was unser beider Miteinander meist auch nicht guttut. Summa summarum: es ist nicht einfach. Das Schenken nicht und das beschenkt werden auch nicht.

Was kannst du tun?

Nimm leichten Herzens an. Wenn du gern annimmst, ist das für den Schenkenden das größte Geschenk. Er beschenkt dich nicht in der Absicht, dich in seine Schuld zu bringen. Was auch immer du bekommst, nimm es gern an. Das kommende Jahr ist lang, du kannst auch zu anderen Gelegenheiten einen Ausgleich schaffen.

Wenn du viel gibst und wenig bekommst, was macht das schon? Das Leben wird dich an anderer Stelle beschenken. Es gleicht gern aus, und manchmal bekommst du dann unerwartet ein Geschenk oder ein Mensch hilft dir gerade da, wo du es nicht erwartet hast. Und das meist eher, als du denkst.

Problem Nr. 5: Stress, Zeitnot und Geldprobleme

Wir kennen es alle: Tagelang Geschenke besorgen, kochen, backen, einpacken, alles planen und überdenken. Noch kurz vor der Bescherung am Weihnachtsabend noch dies und das erledigen. Und zusätzlich auch in der Firma bis zuletzt Arbeitsdruck und Zeitmangel. Alles kostet mehr als geplant und sprengt das Budget. Es ist alles andere als entspannt.

Was kannst du tun?

Zuallererst einmal zustimmen, dass es ist, wie es ist. Meist so, wie in jedem Jahr. Trotz aller guten Vorsätze. Wieder mal Stress und keine Zeit. Aha.

Wie wäre es, in diesem Jahr mal Zeit zu verschenken? Ein Gespräch, Hilfe im Haushalt, eine unerwartete Unterstützung unter Freunden oder in der Familie? Zeit, die nichts kostet, die so knapp ist und die jeder brauchen kann?

Oder zum Beispiel eine Geschichte. Hier füge ich Dir eine Geschichte als Pdf bei, die ich geschenkt bekommen habe.

Auch wohlwollende und wertschätzende Worte sind Geschenke. Geschenke, die jedem guttun und die wir alle brauchen. Sie kosten nichts und sind dennoch kostbar. Wen kannst du mit deinen Worten beschenken?

Problem Nr. 6: Die dunkle Jahreszeit

Es ist nicht so einfach mit dieser dunklen Jahreszeit. Früh ist es noch dunkel beim zur Arbeit fahren und abends schon wieder. Das Licht dieser Tage reicht nicht aus, und die Sonnentage sind knapp.
Unsere Tradition hat einen Ausgleich dafür geschaffen: Die Tradition des Advent. Jede Woche eine Kerze anzünden, jede Woche eine Kerze mehr. Die Lichter in den Fenstern beim Nachhause kommen. Christbaumkerzen, Leuchtsterne an den Fenstern. Ist es dir dennoch zu dunkel?

Was kannst du tun?

Nichts. Es ist einfach eine dunkle Jahreszeit. Doch mir tut das Wissen gut, dass zum Weihnachtsfest das Licht neu geboren wird (Ja, du hast recht, schon zwei Tage zuvor.) Das Licht in der Weihnachtskrippe und das Licht am Himmel. Und dass es Tag für Tag heller werden wird.

Mehr kann ich nicht tun. Oder doch: Ich kann noch mehr Kerzen anzünden. Und mich darauf freuen, dass es bald wieder heller wird.

Problem Nr. 7: Die hohen Erwartungen

Gehen wir von der wunderbaren Situation aus, dass du in deiner Familie Geborgenheit erlebt hast und dich auf das Weihnachtsfest gemeinsam mit deiner Familie wirklich freust. Dein Bedürfnis nach Bindung findet einen Raum, in dem es da sein darf.

Gehen wir weiterhin von der wunderbaren Situation aus, dass alle Familienmitglieder zum Weihnachtsfest dabei sein dürfen, mit uns unter dem Tannebaum sitzen oder in unseren Herzen mit dabei sein können.

Und gehen wir zusätzlich von der wunderbaren Situation aus, dass der Austausch von Geschenken und damit das Geben und Nehmen gelungen sind.

Du hast alles bedacht? Der Tannenbaum erstrahlt in wunderbarem Glanz, der Festtagsbraten ist fertig mit allem drum und dran, auch für die Vegetarier am Tisch ist vorgesorgt. Sogar einen echten Weihnachtsmann wird es für die Kinder geben. Du hast alles getan, damit es in diesem Jahr ein wunderbares Weihnachtsfest werden wird. Nun kann einem gelungenen Fest eigentlich nichts mehr im Wege stehen.

Doch Vorsicht! Wie kann es dennoch dazu kommen, dass trotz aller Liebe, trotz Wohlwollen und Zugewandtsein, trotz aller guten Vorsätze es dennoch wieder zu einem plötzlichen Streit und zu Enttäuschung kommt? Es sind die zu hohen Erwartungen. Die Erwartung, dass alles so schön sein soll und perfekt und wunderbar gelungen. Doch das überfordert meist sowohl uns selbst als auch das heilige Weihnachtsfest.

Was kannst du tun?

Schraub deine Erwartungen etwas herunter. Das Weihnachtsfest kann nicht all das leisten zu erfüllen, was an Bedürfnissen und Wünschen in dir wohnt. Schau, was dir wirklich fehlt. Und was du dir außer den Wünschen auf deinem Wunschzettel wirklich wirklich wünschst. Wer kann dir diese Wünsche erfüllen?

Meine Großmutter pflegte zu sagen: „Nichts ist schwerer zu ertragen als eine Reihe von guten Tagen.“ Gönne dir ruhige Minuten und Stunden. Denn auch das Freuen ist anstrengend. Und falls jemand mit dir gerade heute ein Problem klären möchte, dann denk an das Zauberwort.

Das Zauberwort

Solltest du das Glück haben, mit deiner Familie zusammen sein zu können, dann versuche nicht, etwas zu klären, was sowieso schon lange zwischen euch ein Problem ist. Es gibt ein Zauberwort, wenn jemand etwas zu dir sagt, was dir nicht gefällt. Es heißt AHA. Und dabei kannst du es bewenden lassen. Alles andere verschiebe auf die Zeit, wenn das Jahr wieder heller wird. Und das Zusammensein wieder einfacher und entspannter ist.

Ich möchte meinen Artikel mit einem Text von Eveline Erlsbacher aus einem SOS Kinderdorf beschließen. Er trägt die Überschrift: Wir brauchen die Familie.

Wir brauchen die Familie

„In den letzten Jahrzehnten fand ein ungeheurer Wertewandel statt, der alle unsere Lebensbereiche erfasst hat. Die Fortschritte, die wir in der Medizin, in anderen Wissenschaften und vor allem in der Absicherung der äußeren Lebensbedingungen erreicht haben, sind gewaltig. Sie garantieren uns ein nie dagewesenes Maß an persönlicher Freiheit.

Das Tempo, in dem wir vorwärts eilen, lässt keine Zeit, zwischenmenschliche Konflikte auszutragen und zu lösen. Und dabei möchten wir immer wieder erschöpft aufhören, uns diesem unseligen Zeitgeist bedingungslos und um jeden Preis anzupassen. Sehnen uns ganz einfach nach Liebe, Vertrauen, Ansprache, der Wärme einer Umarmung, die uns tröstet und trägt.

Auch abseits aller Biedermeierromantik ist es vor allem die Familie, die diese Erwartungen erfüllen kann. Sie ist am besten geeignet, die Rechte der Kinder zu schützen, Geborgenheit zu vermitteln und neben der Absicherung materieller Bedürfnisse auch Seelenbildung zu ermöglichen.

Sie soll behütende Mitte sein in einer Welt, die nach allen Seiten so offen ist dass es „zieht“. Familie darf Herz zulassen und Gefühle, darf ruhig auch ganz unzeitgemäß ein Stück heile Welt sein, die dem Guten traut. Weil es eine Grundsehnsucht in uns Menschen gibt nach Angenommen sein, nach Vertrautheit und der Schaffung belastbarer Beziehungen.“

Meine Wünsche für dich

Vielleicht ist für dich Weihachten ein religiöses christliches Fest, vielleicht feierst du auch die Erinnerung an die Traditionen deiner Kindheit. Oder du fährst in Urlaub oder du magst eher allein sein.

Ich wünsche dir, dass du auf deine Art und Weise das Weihnachtsfest gestalten und erleben kannst, so wie du es dir wünschst.

Ich wünsche dir, dass du Schwierigkeiten ruhig aus dem Weg gehen kannst. Es gibt ein Zauberwort. Es heißt AHA. Ich wünsche dir, dass dir das Zauberwort AHA im richtigen Moment einfällt. Das Ganze Jahr über, besonders aber an den Weihnachtstagen. Für ein friedliches Miteinander mit den Menschen, die dir am Herzen liegen.

Und falls du dennoch ein Problem hast, versuche nicht, es in den Weihnachtstagen zu lösen. Melde dich an zu einem Aufstellungsseminar, auch im neuen Jahr gibt es Termine. Bis dahin kann das Problem erst einmal ruhig warten.

Was ich dir jedoch vor allem wünsche ist, dass du das Schenken und das Beschenktwerden, das Zusammensein mit deinen Liebsten, das gute Essen, die Lieder, die Geschichten und die Freude entspannt genießen kannst. Denn dafür ist das Weihnachtsfest gedacht.

Alles Liebe für dich.
Renate

 

 


Impressum:
Text: Dr. Renate Wirth
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