„Nichts soll dich verwirren und erschrecken. Geh deinen Weg unbeirrbar.“ Dieser Ausspruch von Theresa von Avila aus der Mitte des 16. Jahrhunderts, trifft er auch heute noch für uns zu? Unbeirrbar? In der Zeit der großen Möglichkeiten, der vielen Wege, der ständigen Entscheidungen. Wie kann ich da unbeirrbar sein? Und du? Bist du es?

Woran merke ich, dass ich selbstbestimmt lebe? Wenn ich machen kann was ich will? Wenn ich mir meine Wünsche erfüllen kann? Und was ist dieses SELBST? Können wir es beeinflussen? Ist es uns in die Wiege gelegt? Haben wir Kontakt zu unserem SELBST? Ist es etwas anderes als mein Ich? Oder als meine Seele? Wie können die anderen Menschen und Lebensumstände mein SELBST beeinflussen? Ist es veränderbar? Bin ich dieses SELBST? Oder bin ich gar mehr als dieses SELBST?
Wenn ich selbstbestimmt bin, dann bin ich im Einklang mit meinen Fähigkeiten, mit meinem Tun, mit meinen Entscheidungen. Im Einklang mit mir selbst, mit den anderen Menschen, mit den Situationen. Auch wenn die Menschen und Ereignisse um mich herum nicht einfach sind. Wenn ich selbstbestimmt Lösungen suche und finde, fühle ich mich im Einklang.
Wie aber komme ich da hin? In den nächsten 4 Schritten wird die Richtung sichtbar. Es geht nicht von heute auf morgen. Aber an jedem Tag gehst du ein Stück weiter auf dem Weg zu dir selbst.

1. Den eigenen inneren Garten kennenlernen

Es ist wohl eine Lebensaufgabe, sich selbst immer und immer besser kennenzulernen. Das können wir nur immer weiter verfeinern. Was sind deine Gaben, deine Talente, deine Fähigkeiten, deine Reaktionsmuster. Wie denkst und fühlst du in welchen Situationen, wie reagierst du auf Gefahr? Wie auf Zuwendung, wie auf Kritik, wie auf Lob? Was sind deine Schwächen, wo brauchst du Unterstützung? Was macht dich traurig, was „Bringt dich auf die Palme“, was beruhigt dich? Wie sind deine Selbstregulierungsmechanismen? Hast du Ängste, machst du dir Sorgen, hast du eher ein heiteres Gemüt?

Und so könnte die Liste immer weiter gehen. Du kannst dir ein A5 – Buch nehmen und dann beginne aufzuschreiben, was dir dazu einfällt. Versuche, möglichst nicht zu werten. Wenn du es doch tust, sei nachsichtig mit dir. Niemand ist perfekt, auch ich nicht und auch du nicht.

Und dann schau nach deinen Wünschen. Was wünschst du dir? Schau unzensiert nach den kleinen und großen Wünschen und nach deinen Bedürfnissen. Deine Bedürfnisse zeigen dir den Weg. Den Weg zu dir selbst.

2. Liebevolle Selbstfürsorge

Mir ist vollkommen bewusst, dass uns die Selbstfürsorge nicht in die Wiege gelegt wurde. Doch wir können sie lernen. Es ist kein einfacher Weg, die eigenen Gefühle anzuschauen, kennenzulernen, sie anzunehmen, auszuhalten, uns um sie zu kümmern wie um kleine Kinder, ihnen unsere Fürsorge zu geben und die Sicherheit, da sein zu dürfen. Und ihnen und ihrer Botschaft zuzuhören. Und dann und ganz vor allem: Die Verantwortung für uns selbst zu übernehmen. Ganz und gar. Dann sind wir erwachsen.

Du kannst dich jeden Abend fragen: Was habe ich mir heute Gutes getan? Welche meiner Bedürfnisse konnte ich erfüllen? Habe ich ausreichend Schlaf? Esse ich das, was mir gut tut? Umgebe ich mich mit wohlwollenden Menschen? Arbeite ich in dem Beruf, der mir am Herzen liegt? Sehe ich einen Sinn in dem, was ich tue? Jeden Tag ein wenig, bis es zur Selbstverständlichkeit wird, dass du dir selbst Gutes tust.

3. Freundlich und sicher Grenzen setzen

Wenn du selbstbestimmt leben möchtest brauchst du unbedingt die Fähigkeit zu erkennen, wie du in Beziehungen reagierst. Kannst du deine eigenen Interessen schützen? Kannst du deine Bedürfnisse achten und wertschätzen?
Setze deine Bedürfnisse an erste Stelle. Du bist nicht weniger wichtig als alle anderen. Und wenn du dich nicht um deine Bedürfnisse kümmerst, wer sollte es dann tun?

Es gibt keinen sicheren Weg zum Erfolg.
Nur einen sicheren Weg zum Misserfolg, nämlich den, es jedem recht machen zu wollen.

Begegnung geschieht immer an der Grenze. An der Grenze zwischen dir und mir. Um uns in der Begegnung sicher und entspannt zu fühlen brauchen wir sichere Eigengrenzen. Und wir brauchen die Fähigkeit, die Tore zum Anderen selbst öffnen und schließen zu können. Nicht wie der Andere das möchte, sondern wie wir das wünschen.

Im Blogartikel „Selbstbestimmt leben. Wie du elegant Grenzen setzen kannst ohne den anderen zu verletzen“ kannst du lesen, was du tun kannst und wie es konkret geht, Ja zu sagen wenn du Ja meinst und Nein zu sagen wenn du Nein meinst.

Nun kann man natürlich die Techniken nur üben. So wie wir vom Lesen keine Muskeln bekommen, sondern nur vom Trainieren. Doch wenn wir uns für das Thema öffnen, kommen die anderen Dinge zu uns. Wir gehen in Resonanz mit dem Thema und eins fügt sich zum anderen. Und eines Tages wirst du erstaunt feststellen, dass es dir nun leicht fällt, deine eigenen Interessen anzusprechen, ohne den anderen zu verlieren oder zu verletzen.

4. Selbstbestimmt sich in einer Beziehung öffnen können

Wenn wir uns abgrenzen aus Angst vor Verletzungen und unser Herz nicht öffnen können, ist auch das nicht selbstbestimmt. Denn auch hier ist das Leid groß. Einsamkeit, das Gefühl, dass Nähe bedrohlich ist, fehlende gute, tragende Beziehungen und Schwierigkeiten, im Beruf erfolgreich zu sein machen das Leben schwer.

Für ein offenes Herz brauchen wir unbedingt das Gefühl, in der Welt willkommen zu sein, in der Welt einen Platz zu haben und dazugehören zu dürfen. Das Gefühl, dass unsere Liebe erwidert wird, dass es Sinn macht, auf dieser Welt zu sein.

Wenn in den ersten Lebensjahrzehnten alles ideal gegangen ist, dann geschieht das wie von selbst. Doch ein Leben geht nicht ohne Verletzungen. Sind sie nicht so gravierend, heilt das Leben sie aus. Doch ein wesentlicher Mangel und große eigene körperliche und emotionale Verletzungen und Gefahren können die Biochemie und Erfahrungswelt so beeinflussen, dass das Herz in Vorsicht, Angst oder Groll sich eng zusammenzieht, eine Schutzmauer aufbaut und in diesem Zustand bleibt. Doch ein enges Herz lässt unsere Energie nicht fließen, wir werden müde und fühlen uns im Mangel.

Selbst erlebte Verletzungen sind eine Ursache für ein sich schützendes Herz. Eine andere Ursache können systemische Traumata sein. Gefühle, die von anderen Menschen gefühlt werden, besonders von engen Familienmitgliedern, können unser Herz in Angst und Schrecken, in Wut, Groll oder Ablehnung versetzen. Das Herz reagiert so, als wären die Gefahren und Verletzungen uns selbst passiert. Hier sind Aufstellungen zum Lösen der systemischen Verstrickungen ein guter Weg.

Manchmal geschieht ein Wunder und das Herz öffnet sich wie von selbst. Doch wenn wir darauf warten, dass ein Wunder geschieht, kann darüber das Leben vergehen. Denn große Wunder kommen, wie sie wollen. Das Wunderbare ist, dass wir selbst etwas tun können, unserem Herzen zu ermöglichen, sich vorsichtig zu öffnen. Dann geschehen täglich Wunder. Lies mehr dazu im Artikel „Selbstbestimmt leben. Wie geht das eigentlich mit dem Herz öffnen?

Wir können ganz bewusst Schritte gehen, dass das Herz aus seiner Vorsichtshaltung herauslugt und sich öffnen kann. Für uns selbst, für andere, für die Liebe. Liebe können wir nicht machen, sie entzieht sich unserem Wollen. Wir können nur immer mehr bereit dafür sein. Aufstellungen sind hier ein heilsamer Weg.

Ich wünsche dir ein selbstbestimmtes Leben in wertschätzenden, offenen und zugewandten Beziehungen zu den Menschen, die dich umgeben und mit denen du deinen Lebensweg teilst.

Herzlichst
Renate

 


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Text: Dr. Renate Wirth
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